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Sonntag, 17. November 2013

Drama am Pingpong-Tisch





Drama am Pingpong-Tisch


Da stand er nun, der Tischtennis-Tisch – mitten auf der Terrasse von unserem Restaurant. Auch wenn an diesem kalten, feuchten Novembertag keine Gäste draussen zum „z’Mittag“ zu erwarten waren, so stand der Tisch doch mitten auf dem kürzesten Weg meiner Söhne zwischen der Schule und dem Mittagessen. Darum konnte er auf keinen Fall bis am Nachmittag dort bleiben, denn schliesslich war er als langersehntes Weihnachtsgeschenk für unsere beiden Buben vorgesehen.
Wir hatten den „Pingpong-Tisch“ in tadellosem Zustand günstig einer treuen Mitarbeiterin, deren Kinder inzwischen erwachsen waren, abkaufen können. Sie wusste, dass er uns nützlich war und sie war froh, dass ihr das Ungetüm endlich „aus dem Weg kam“. Darum hatte sie ihrem Bruder, der Fahrer bei der ortsansässigen Brauerei war, aufgetragen, den Tisch am frühen Morgen bei uns auf der gedeckten Terrasse einfach abzuladen.

„Komm jetzt endlich“, forderte mich SO bereits zum wiederholten Male auf, „es ist bereits nach elf Uhr und die beiden kommen nächstens von der Schule nach Hause!“
Genau, es war bereits nach Elf und ich hatte überhaupt keine Zeit. Das Essen musste noch fertig zubereitet werden, denn in Kürze kamen bereits die ersten Mittagsgäste. In allen Töpfen auf dem grossen Küchenherd brutzelte und dämpfte es, es musste gerührt und gewendet werden und nun sollte ich noch helfen, diesen blöden Tisch in den Keller zu tragen.
Nach einem kurzen Kontrollblick über mein Küchenreich hetzte ich trotzdem ziemlich entnervt auf die Gartenterrasse. 

Eben, da stand er nun – wie ein grosser Schmetterling in Ruhestellung. Die Tischplatte bestand aus drei gleich grossen Teilen. An der Mittleren war das Gestell befestigt und die beiden Äusseren waren senkrecht stehend aufgeklappt. Sehr schwer war er nicht, aber ziemlich umständlich zum Tragen. Aber es musste nun zu zweit gehen, denn Zeit zum Überlegen hatten wir keine mehr. Also wurde angepackt! Einer auf jeder Seite, beide an beiden Enden der mittleren Tischplatte. Ich ging voraus, die vier steilen Treppenstufen hinunter zum "eingewinterten“ Kinderspielplatz und dann an dessen Ende in einen der vielen Keller im Haus – in den Hintersten, den ehemaligen Holz- und Kohlenkeller. Er hatte kein Licht, war fensterlos und vom Kohlenstaub gruselig schwarz gefärbt – da ging nie ein Kind hinein, er wurde nur noch für die Gartengeräte und den Altkarton gebraucht.

So war es vorgesehen, aber soweit kamen wir nicht!
Bereits mitten auf der Treppe kippte die linke, aufgeklappte Tischplatten nach aussen – wir hatten beide die Finger dazwischen! Ein kurzer Aufschrei von SU, tiefes Ein- und Ausatmen von mir. Es tat schrecklich weh! Ich glaubte, alle Finger gebrochen zu haben.
Wir versuchten den Tisch abzustellen, damit wir mit der rechten Hand diese Tischseite wieder anheben könnten. Es kam wie es kommen musste – auch die rechte Tischplatte fiel um.
Wir schrien beide! Mir kam das Augenwasser und ich sah trotz bedecktem Himmel Sterne – Sterne in allen Farben!

So standen wir nun – auf der Treppe.  SU oben, ich unten und der Tisch zwischen uns – heruntergeklappt – man hätte gleich darauf spielen können.
Wir konnten uns nicht bewegen, weil jede Bewegung noch weitere farbige Sterne im imaginären Himmel aufblitzen liess. Alle vier Hände, respektive, mindestens 18 Finger waren zwischen den schweren Tischplatten eingeklemmt. Nur bei der rechten Hand spürte ich beim Ring- und dem kleinen Finger noch ein bisschen Bewegungsfreiheit – der Ehering hatte mehr Druck verhindert.

„Verdammte Scheisse! Was machen wir jetzt?“
„Ich habe alle Finger gebrochen!“ jammerte Su, kreideweiss im Gesicht und mit klappernden Zähnen.
Sollten wir schreien bis uns jemand hörte oder so noch eine halbe Stunde warten, bis einer der Buben von der Schule kam? Inzwischen hatte es auch leicht zu nieseln begonnen, aber das wurde uns erst später bewusst.
Ich versuchte mit dem Knie die rechte Tischplatte anzuheben, aber sie war zu schwer. Und doch, irgendwie konnte ich die rechte Hand herausreissen; für einmal hatte sich der Ehering als nützlich erwiesen.

Nun waren schnell alle Hände frei und der Schaden konnte begutachtet werden. Alle Finger hatte eine unnatürliche, weisse Farbe angenommen, tiefe Druckstellen waren zu sehen und überall floss Blut.
Man versuchte die Finger zu bewegen, jeden einzeln. Es gelang glücklicherweise ein bisschen.
Vielleicht war doch nichts gebrochen.

Wir gingen zurück ins Lokal, den Tisch liessen wir auf der Treppe im Regen stehen. Wir immer in „heiklen“ Situationen, wurde nun zuerst die Kaffeemaschine in Gang gesetzt. Das Koffein wirkte, der Schock liess nach, das Gehirn begann wieder zu arbeiten.
Eines stand fest, wir mussten beide zum Doktor, das war klar.
Halb zwölf! Die ersten Gäste würden gleich kommen, aber mit diesen schmerzenden und blutenden Händen war an eine Arbeit nicht zu denken und um Aushilfen zu organisieren war es wohl zu spät. Zum Glück gab es an diesem Montagmittag keine Reservationen und somit wurden auch nicht viele Mittagsgäste erwartet. Solche „flauen“ Mittage bewältigten SU und ich jeweils alleine.
Also schrieb ich auf eine grosse Tafel:
"Wegen Unfall geschlossen! Danke für das Verständnis“ –
und stellte sie vor die Eingangstüre, bevor ich den Schlüssel drehte.

Gebrochen war dann nichts, zum Glück. Aber die Arztpraxis musste für uns über den Mittag durcharbeiten, denn alles wurde geröntgt, einiges musste genäht werden und fast alle Finger wurden eingebunden – Nachmittags um zwei waren wir endlich verarztet.

Kaum waren wir Zuhause, schellte auch schon das Telefon. Elisabeth, unserer langjährigen Service-Aushilfen war am anderen Ende. Sie schien ziemlich aufgeregt zu sein.
„Was ist denn auch bei Euch bloss los?“ fragte sie ganz gesorgt. Sie versuche uns schon seit einer Stunde uns zu erreichen. Denn sie sei von besorgten Gästen angerufen worden, die meinten, bei uns im Lokal müsse etwas ganz Schreckliches passiert sein, denn es stehe eine Tafel vor der Eingangstüre, an der das Blut nur so herunterlaufe. Ich hatte das beim Schreiben schlicht nicht bemerkt.
Das Missgeschick mit ihrem Pingpong-Tisch war dann schnell erzählt, das Geheimnis um das Weihnachtsgeschenk für die Kinder war auch gelüftet und ich hatte nie mehr so richtig Freude an diesem blöden Ding, das manchmal so da stand, wie ein federleichter, grüner Schmetterling beim Ausruhen.


©® Copyright by Herr Oter




Autor: Frank Hollenbach - by pixelio.de - Bildnr. 401461


;)

5 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Grins ...kein Kommentar :-)
T.O.&O.

Wildgooseman hat gesagt…

Ich biete mich als Tatortreiniger an, HerrOter!
Ich hoffe, alles hat seinen guten Lauf genommen. *
Grüße von Poetikon

Herr Oter hat gesagt…

@T.O.&O.:
Was will man zu soviel Dummheit auch sagen... ;)

@Poetikon:
Tatort gereinigt, ist schon ein paar Jahre her – und alles gut verheilt, keine Wunden zurückgeblieben :)

@Beide:
Danke fürs Lesen und Kommentieren
Liebe Grüsse und schönen Abend
Resunad

chat noir hat gesagt…

Na ja, manche Dinge geschehen offenbar unabhängig vom Alter... Liebe Grüße von der noch jungen Katze *gg

Herr Oter hat gesagt…

Ja, das sowieso.
Man kann nicht alles dem Alter "in die Schuhe schieben". Manchmal ist es einfach Unverstand.

Liebe Grüsse an eine noch ziemlich junge Katze von einem schon ziemlich alten .... Na ja...
Resunad