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Freitag, 21. März 2008

Der Schachspieler und der Maler



Der Schachspieler und der Maler



Ein weltberühmter Schachspieler hatte einen Freund, der war Maler.
Dieser malte zwar prächtige Bilder, aber trotzdem war der Künstler sehr arm, weil er keines davon verkaufen wollte. Aber ab und zu verschenkte er eines.
Auch malte er schon seit langer Zeit immer das gleiche Motiv - wunderschöne, bunte Regenbogen auf zartblauem Hintergrund.
Der reiche Schachspieler unterstützte seinen mittellosen Freund ab und zu und der beschenkte ihn manchmal mit einem seiner Bilder.
Doch das schönste Bild des Künstlers war seine bunte Seele, die er in sich trug und die sich fortwährend in seinem Gesicht widerspiegelte, so dass alle Menschen von seiner Persönlichkeit fasziniert waren. Diese Ausstrahlung seines Freundes beeindruckte den genialen Schachspieler am meisten und er war sehr stolz darauf, so einen beliebten und gütigen Menschen als Freund zu haben.
Denn der geniale Schachspieler war eher unbeliebt, weil er ständig gestresst und vor grossen Turnieren immer sehr nervös war. Aber als weltbekanntes Genie mit grossem Erfolg war er eine immense Gage wert und so lastete auf ihm vor wichtigen Kämpfen, ständig ein sehr grosser Druck. Darum war er auch oft mit seinen Liebsten unausstehlich und viele gingen lieber auf Distanz zu ihm.
Schon mehrmals hatte er den Maler gefragt, woher er seine aussergewöhnliche Seele habe. Aber der lächelte ihn immer nur freundlich an und schwieg.
Doch der Schachspieler war stur und liess ihm keine Ruhe. Er drängte immer öfter auf einen Antwort. Zudem hatte er auch keine andere Wahl, denn sein mürrisches Benehmen nahm immer mehr Besitz von ihm und dagegen musste er etwas tun, wollte er nicht noch seine letzten Freunde verlieren.
Als er wieder einmal ganz verzweifelt wissen wollte, woher der alte Maler seine aussergewöhnlich bunte Seele habe, fragte sein bescheidener Freund zurück: „Kamerad, weisst Du, woher du deine mathematische Begabung hast?“
Der erfolgverwöhnte Schachspieler wurde immer unglücklicher. Ihm gefiel seine eigene Lebensweise immer weniger und die Freude am königlichen Spiel hatte er auch verloren. Am Ende begann er, sich selbst nicht mehr zu gefallen. Er fand sein Leben grau, seine Seele einfarbig und seinen Reichtum nutzlos. Er war einsam und traurig und daran konnte auch sein vieles Geld nichts ändern. Er wurde krank und konnte seinen Freund nicht mehr in seinem Atelier besuchen.
Als der greise Maler davon erfuhr, nahm er einen Regenbogen und besuchte damit seinen kranken Freund. Er erzählte ihm am Krankenbett folgende Geschichte:
„Früher war ich einmal ein berühmter Maler, der seine Bilder teuer verkaufen konnte. In den klotzigsten Galerien waren sie zu finden, auf den grössten Auktionen wurden Spitzenpreise dafür bezahlt und in den kolossalsten Museen hängen sie noch heute.
Aber die Leute wollten immer mehr von mir, die Techniken sollten immer raffinierter und die Farben immer leuchtender werden. Dabei wurde um mich herum alles immer grauer und düsterer.
Da brach ich eines Tages auf in die Natur, weil ich einen Regenbogen malen wollte. Lange sass ich da, bis sich in der Ferne endlich einer zeigte. Ich wollte näher hin und so ging ich ihm entgegen. Ich lief und lief und doch kam ich nie, zu ihm hin.
Bald hatte ich mich verlaufen, war irgendwo in einer Wüste und wusste nicht mehr zurück. Da fand ich eine kleine Oase und blieb dort jahrelang. Zuerst malte ich, was ich sah: Sand und Dünen, braunes Gehölz, weisse Wolken und auch die dunkle Nacht mit den winzig kleinen leuchtenden Sternen. Andere Farben gab es in der Wüste kaum. Bald waren diese Farbtöpfe aber aufgebraucht und übrig bleiben nur noch Rot, Gelb und Blau.
Da begann ich aus der Erinnerung den Regenbogen, der mich hierher geführt hatte, zu malen. Noch nie hatte ich die Farben so schön leuchten gesehen, wie hier in dieser Einöde.
Stundenlang starrte ich, in der glühenden Sonne sitzend, fasziniert darauf und auf einmal wurde der Regenbogen zu einem farbigen Strudel der mich unweigerlich in sich hineinzog und ich verschwand damit ins Bild hinein. Ich kam aber nicht etwa auf der Rückseite des Gemäldes wieder hinaus. Nein, ich war in eine andere Welt geraten – ganz anders als die unsere und noch viel besser. Sie war wunderschön, voll Glück, Harmonie und Frieden - ich musste ins Paradies gekommen sein.
Im ersten Augenblick habe ich mich erschrocken. Ich fand mich nicht zurecht und ich verstand die Sprache dieser Welt nicht. Doch die Menschen dort erwiesen sich als sehr freundlich und ausserdem drückten sie ihre Gedanken nicht mit Worten aus. Sie malten und so verstanden sie sich untereinander viel besser, als wir mit unseren zahlreichen Sprachen. Ihre Farben verschwammen ineinander und mischten sich, alle Schattierungen waren möglich und so bildeten sich ganz neue Farbtöne. Der Fantasie waren keine Grenzen gesetzt und alles schien in dieser Bildsprache möglich. Sehr schnell begann ich sie zu verstehen. Die Bewohner waren herzlich und begabt und ausserdem verstanden sie viel von menschlichen Seelen…“
„Bist du ins Paradies der Maler geraten?“ unterbrach ihn der Schachspieler.
„Ja, so muss es wohl gewesen sein“, sagt der Maler mit einem weisen Lächeln.
„Mir gefiel es dort so gut, dass ich nicht mehr zurück kehren wollte. Aber man gab mir zu verstehen, dass es für mich noch viel zu früh war und ich hier noch einiges zu erledigen hätte. Ich musste wieder gehen. Zum Trost aber gab man mir meine bunte Seele als Geschenk mit. Damit soll ich mich immer an sie erinnern und mich ständig aufs Paradies der Maler freuen.“
„Ich weiss nicht wie, aber plötzlich lag ich im Wüstensand, nahe an meiner Oase. Ich packte meine Sachen zusammen und begann in eine Richtung zu laufen und bald kam ich in eine fremde Stadt. Es war diese hier.
Mein Gesicht war durch die gegerbte Haut und den weissen Bart nicht mehr zu erkennen und inzwischen war ich auch für Verschollen erklärt worden. Das war mir Recht so, denn mit meinem früheren Leben wollte ich nichts mehr zu tun haben. Reichtum und Besitz waren für mich nicht mehr wichtig - Friede und Zufriedenheit umso wichtiger.“
Die Augen des Malers leuchteten und der Schachspieler war nun auch ganz aufgewühlt.
„Meinst du, dass es auch ein Paradies der Schachspieler gibt?“, fragt er den Maler ganz aufgeregt.
„Ich denke, dass es für jeden, der daran glaubt, ein Paradies gibt“.
„Und - kann ich es auch finden?“, fragt der kranke Mann.
„Ich glaube - jetzt schon“, sagt der alte Maler, „darum habe ich dir diese Bild hier mitgebracht. Es ist der Regenbogen, den ich damals in der Wüste gemalt hatte. Nimm ihn zum Dank, denn es ist der Schönste von allen.“
Und mit einem zufriedenen Lächeln, schliesst der greise Maler seine müden Augen.

©® Copyright by Herr Oter



:-)

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